Fast ein ganzes Jahr

Je länger man nicht geschrieben hat, desto schwerer wird der Neustart, denn es kommen auch immer mehr Ereignisse und Erlebnisse und Beobachtungen zusammen, die aufgeschrieben werden wollen. Irgendwann ist es so viel, dass einem klar wird, dass es nur noch mit einer Generalamnestie zu lösen sein wird. So tun, als sei nichts passiert, um mit neuen Erlebnissen anzufangen.

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Der Plan, ganz genau von meinem neuen Leben auf dem Lande zu berichten, war auf Sand gebaut. Jedenfalls offensichtlich nicht auf dem guten dunklen Bördeboden, der einen nie im Stich lässt. Ich bin nicht mehr neu hier. Ein ganzes Gartenjahr ist durch. Der nächste Bulle liegt schon seit November in der Tiefkühltruhe und der übernächste ist schon lange auf der Weide. Die kleine Katze ist immer noch zart und klein, aber erwachsen. Sie war verschwunden und wurde uns wiedergebracht. Sie zirpt immer noch durch den Hausflur, wenn sie mich ruft.

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Vieles mache ich nun nicht mehr das erste, sondern das zweite Mal. Und vieles habe ich schon viele, viele Male gemacht. Ein neues erstes Mal ist der Hund, der bei uns einzog. Nicht mehr jung ist sie, dafür sehr wuschelig, sehr grau, sehr zart besaitet und gleichzeitig doch sehr duldsam. Ich versuche, ihr Vertrauen zu gewinnen. Was gelingt. Die Grundlage dafür ist: Wir machen zusammen viele Dinge jeden Tag genau gleich. Das bedeutet, dass meine Routinen starr werden. Es bedeutet aber auch, jeden Tag 5 bis 10 Kilometer zu laufen. Nie wieder hadere ich mit der Fitness, denn draußen wartet jeden Morgen meine Trainerin.

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Und wenn sie dann doch mal mit anderen Hunden mitgaloppiert oder frei über den Feldweg saust, bin ich sehr glücklich. Plötzlich ist ein Wunsch wahr geworden: Ich bin mit meinem eigenen Hund im Stall und sie begleitet mich bei allen Arbeiten und beim Reiten.

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Vor zwei Wochen ist uns ein Hahn zugeflogen. Er war auf einmal da, im Garten bei den Hühnern. Wir wissen nicht, woher er kam oder ob er irgendwem gehört. Nach einer Stunde war es so, als sei unsere Hühnerhorde nie ohne Hahn gewesen. Caruso kam einfach, und mal sehen, wann er wieder geht.

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Mein Beet ist dieses Jahr größer. Ich habe aus dem Vorjahr gelernt und deshalb den Kohlrabi im Griff.

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Obwohl sich die Tage hier sehr gleichen, ist es doch so, dass das Wetter jeden Tag anders ist und selten, wie man es plant. Noch seltener ist es genauso wie im Vorjahr. So jedenfalls befanden es Spinat und Rübstiel. Mangold habe ich weggelassen, von der Zucchini gibt es nur zwei Pflanzen. Ich habe Angst vor ihrer Weltherrschaft. Die kommt dieses Jahr dann wahrscheinlich durch die vielen Gurken. Wenn es gelingt. Beim ersten Mal fällt der Glaube immer schwer.

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Wenn man das Jahr aus Gartensicht beschreibt, spielt Corona keine Rolle. Wenn ich nur in Haus und Garten lebte, würde es keine Rolle spielen. Es spielt aber eine Rolle, denn ich habe viel mehr Zeit. Zum Glück kann man das Geld ja auch nicht ausgeben. Obgleich der Traum von einem Pferd in meinem Können und Selbstverständnis in größer werdenden Schritten näher rückt, rückt er finanziell gesehen im gleichen Maße in die Ferne.

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Ich warte einfach. Und sitze währenddessen an meinem Schreibtisch im Garten. Der Hund liegt im Gebüsch daneben, die Katze im extra für sie aufgestellten Stuhl neben mir. Ach nein, ich sehe gerade, sie ist irgendwohin verschwunden. Ich geh mal nach ihr suchen.