Sommer

So lange nichts geschrieben. Keine Fotos entwickelt. Als sie jetzt erst vom Entwickler zurückkommen, mache ich eine Zeitreise. In den Winter, in den Frühling. Das scheint alles Jahrhunderte weit weg zu sein. Eine anderes Universum. Ein Universum, in dem die alte, sanfte Hündin noch lebt, in dem die Bäume noch graue Steine waren und in dem ich kein Katzenbaby auf dem Hof beaufsichtige.

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Das Schreiben kommt mir hier abhanden. Die Sehnsucht, die ich damit verbinde, ist meistens nicht da. Denn ich bin hier. Pflanzen werden gegossen, Hühner gefüttert, früh werden Brötchen geholt oder gebracht. Es wird Essen gekocht, Rasen gemäht, Türen gestrichen. Ich fahre zum Reitunterricht. Von mir auf dem gescheckten Pferd gibt es auch nach zehn Monaten noch kein Foto. Ich lese viel Korrektur, schreibe Rechnungen, fahre in den Urlaub. Jeden Tag erlebe ich Dinge, die ich entweder noch nie erlebt habe oder die in ihrer kleinteiligen Schönheit gleich nach dem Erleben davonfliegen.

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So wie der abendliche Radweg ins Nachbardorf, um dort einzukehren. Das goldene Licht fließt über die Felder, wir holpern unter Holunder und einer alten Leitung hindurch. Einmal sehen wir kleine Ziegen zwischen den stillgelegten Gleisen, ein andermal einen wildcampenden Wanderradfahrer, der sein Zelt aufbaut. So wie die Stille im Garten am Abend oder Morgen. Eine Stille, wie sie es nur mit Vogelgezwitscher, Insektensummen und Igelgeraschel in den Büschen geben kann. Nicht die Stille einer Wohnung, wenn man alle Fenster fest schließt. Der Moment, wenn man allein im Hof zur Nacht das riesige Tor schließt. Oder wenn man Rüben für den Bullen Leo verzieht. Oder den Braten im Ofen anbrennen lässt, weil man eben schnell noch im Garten Unkraut jäten wollte.

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Oder wenn ich das Pony von der Weide hole, ganz allein im Stall, allein mit Schwalben, Tauben und Spatzen, und in dem Duft dort zur Ruhe komme. Oder wie ich mit dem Rad die winzigkleine Katze in der Agrargenossenschaft besuchen fahre und wir sie alle suchen müssen in der Halle mit den Landgeräten, weil die Mutter sie immer wieder versteckt. Oder wie ich langsam (langsam) sicherer, ruhiger und selbstbewusster auf dem Pferd werde.

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Es gibt keine Wohnung in Berlin mehr. Es gibt Momente, in denen ich sogar Mühe habe, mich zu erinnern, dass ich eigentlich eine Berlinerin bin. Ich gieße einfach lieber mein Gemüse, geleite die Hühner spätabends in ihren Stall und zähle die Schwalbenküken.

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